Eigentlich bin ich Jurist. Das ist sowieso nicht verkehrt, aber auch bei einer späteren Tätigkeit in der Politik oft nützlich. Wie zum Beispiel im Moment, wo aufgeregt darüber diskutiert wird, ob denn die „Letzte Generation“ wegen ihrer Klebe-Aktionen eine kriminelle Vereinigung sei.
Im Ergebnis ist das ganz einfach. In einem Rechtsstaat entscheiden Politiker zwar über die Strafgesetze, aber nicht darüber, ob ein bestimmtes Verhalten in einer bestimmten Situation eine Straftat ist. Das ist Sache der Gerichte und vorher muss eine Staatsanwaltschaft eine Anklage erhoben haben oder einen Strafbefehl beantragen.
Auch in Niedersachsen gibt es die Klebeaktionen, die vielen Autofahrerinnen und -fahrern die Nerven rauben, aber noch kein Gericht hat bis jetzt gemeint, das sei die Tat einer kriminellen Vereinigung. Und auch bundesweit gibt es bis jetzt keine Verurteilung wegen dieses Vorwurfs. Das ist entscheidend, nicht die Beiträge von Politikern.
Urteile und Strafbefehle gegen Mitglieder der „Letzten Generation“ wegen ihrer Klebeaktionen gibt es dagegen viele, auch in Niedersachsen. Der Vorwurf lautet in der Regel Nötigung – durch die Klebeaktionen wären die Autofahrerinnen und Autofahrer gezwungen gewesen, im Stau zu warten und keine andere Alternative zu haben. In Niedersachsen gibt es dann meistens einen Strafbefehl, jedenfalls beim ersten Mal.
Ist das die „Kriminalisierung des legitimen Protests“, wie die „Letzte Generation“ selbst meint? Die – wie ich finde überzeugende – Antwort der allermeisten Gerichte: Die Aktivistinnen und Aktivisten wollen öffentliche Aufmerksamkeit für ihre Ziele erreichen und setzen dafür viele andere Menschen buchstäblich fest, die nicht mehr aus dem Stau herauskommen. Die Versammlungsfreiheit gibt aber nicht das Recht, andere zu instrumentalisieren.
Die allermeisten Gerichte haben bis jetzt aus guten Gründen also darauf verzichtet, ihre Entscheidung davon abhängig zu machen, wofür oder wogegen sich die Aktionen richten. Ansonsten wären wir tatsächlich schnell bei einem Gesinnungsstrafrecht nach dem Motto „Der Zweck heiligt die Mittel“. Genau das soll in einem demokratischen Rechtsstaat gerade nicht passieren.
Die Motive der „Letzten Generation“ mögen sehr sympathisch sein oder eben nicht, genau darum geht es nicht. Das macht einen demokratischen Rechtsstaat aus und daran darf niemand rütteln, finde ich.
Ich wünsche Euch eine schöne Woche.